terra0 Wald
Was würde es bedeuten, wenn Wälder sich selbst gehörten? Die Berliner Kunstgruppe terra0 ließ sich von der Frage inspirieren, ob Ökosysteme ähnliche Rechte wie Menschen haben sollten.
Wie kann eine Beziehung zwischen Menschen und Pflanzen aussehen, die weniger ausbeuterisch ist? Seit 2016 setzt sich die Gruppe mithilfe von neuen Technologien und Kunst mit dieser Frage auseinander. Angelehnt an die künstlerischen Traditionen von Land Art und Sozialer Plastik, erschafft terra0 Werke, die unsere Beziehung zur Natur und Gesellschaft verändern wollen.
In früheren Arbeiten zeigten sie Pflanzen, denen verschiedene technische Geräte Handlungsfähigkeit ermöglichten, in einer auf den Menschen ausgerichteten Umgebung. So war das Werk Premna Deamon (2018) beispielsweise eine Skulptur aus einem lebendigen Bonsai, ausgestattet mit einem Sensor zur Kontrolle der Bodenfeuchtigkeit und -temperatur. Basierend auf diesen Daten überwachte ein Mini-Computer den Gesundheitszustand des Baumes. Diese Informationen kommunizierte der Bonsai über eine webbasierte Benutzer:innenoberfläche an Menschen und stellte Pfleger:innen ein, die ihn mit Wasser, Licht oder Nahrung versorgten. Er entlohnte diese Dienste aus seinem Budget an Kryptowährung, das sich aus den Spenden menschlicher Besucher:innen der Ausstellung finanzierte. Smart Contract, ein Softwareprogramm, das digitales Geld verwaltet, ermöglichte den automatisierten Bezahlvorgang.
Ihr Werk Flowertokens (2018) brachte terra0 ihrem Ziel, einen Wald darin zu unterstützen, sich selbst zu gehören, ein Stück näher. Die Kunstgruppe pflanzte 100 Dahlien und verwandelte jede einzelne in ein digitales Kunstwerk. Sie wurden zu handelbaren NFTs, einzigartige digitale Tokens mit zugehörigen Bildern, die nicht repliziert werden können. Um die physischen Veränderungen der Pflanzen wie Wachstum und Gesundheit abzubilden, wurden die Dateien täglich aktualisiert. terra0 betrachtet diese Art Kunstwerk als einen Prototypen, der zeigt, wie Technologie nicht-menschlicher Lebewesen zu ökonomischer und juristischer Eigenständigkeit verhelfen kann. So könnten Pflanzen und sogar ganze Ökosysteme eines Tages als autonome Subjekte angesehen werden. Dies begreift die Kunstgruppe als einen zentralen Bestandteil einer ökologisch gerechten Welt, die sich vom Fokus auf den Menschen löst.
Inspiriert von dieser Vision arbeitet LAS mit terra0 zusammen, um das groß angelegte Waldkunstwerk zu verwirklichen. Dieses ehrgeizige Projekt erweitert und aktualisiert das ursprüngliche Konzept der Gruppe, indem es die tiefe Verflechtung zwischen Ökosystemen und sozialen Systemen genauer widerspiegelt und die Bedeutung menschlicher Akteur:innen beim Schutz und der Pflege des Waldes anerkennt. Das Werk wirft viele Fragen darüber auf, wie wir die Natur wertschätzen und welche Handlungsspielräume wir Nicht-Menschen zugestehen wollen. Es schlägt einen Weg vor, wie Menschen, Natur und Technologie zusammenarbeiten können, um ein gemeinsames Wachstum zwischen den Arten zu erreichen.
terra0
Seit seiner Gründung in 2015 beschäftigt sich das Künstler:innen-Kollektiv terra0 in ihrer gleichnamigen Arbeit mit hybriden Ökosystemen in unserer menschengemachten Umwelt, der Anthroposphäre. Die erste Veröffentlichung der Gruppe, das terra0 Whitepaper (2016), basiert auf Forschungsergebnissen in den Bereichen Distributed-Ledger-Technologie, Ökologie und Wirtschaft. Darin erkunden sie die Vision, technologisch erweiterte Ökosysteme zu schaffen, die als eigenständige Agenten handeln können. In den letzten Jahren hat sich die künstlerische Praxis von terra0 auf Experimente konzentriert, mit denen sie die Thesen des ersten Whitepapers herausarbeiten, und diese überprüfen und kritisch reflektieren.
terra0 wurde unter anderem auf der 58. Carnegie International, der 17. Internationalen Architekturausstellung – La Biennale di Venezia, dem Canadian Centre for Architecture Montreal, The Shed New York City, der Kunsthalle Zürich, dem Francisco Carolinum Linz, dem Chronus Art Center Shanghai, der Furtherfield Gallery London, dem Schinkel Pavillon Berlin und der Vienna Biennale ausgestellt.