Federico DíazBOAR
09. Juli 2022
Hamburger Bahnhof
Eine Roboter-Performance über die Evolution der KI und zukünftige Beziehungen zwischen Lebewesen
BOAR ist eine ortsspezifische Roboter-Performance des Künstlers Federico Díaz, konzipiert in Zusammenarbeit mit dem Autor und Technologen J. M. Ledgard, und findet im Rahmen der 12. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst statt.
Expert:innen schätzen, dass sich rund 5.000 Wildschweine in den Außenbezirken Berlins aufhalten. Die verwilderten Tiere leben in den Randbezirken der Stadt und in Brandenburg. Seit den 1990er Jahren hat sich die Wildschweinpopulation in Berlin deutlich erholt. Der Zuwachs lässt sich auf den Rückgang von Jagdvereinen sowie auf die verbesserten Lebensbedingungen durch Faktoren wie Klimaerwärmung und Lebensmittelsicherheit (durch die Lebensmittelverschwendung von Menschen und den Pflanzenanbau in Monokulturen) zurückführen. Selbst Berliner:innen, die noch keinem Wildschwein begegnet sind, sind mit den berüchtigten Verhaltensweisen der Tiere vertraut: Stibitzen von Picknicks, Aufwühlen sowie Umgraben von Erde in Gärten und Parks.
An genau diesem Spannungsverhältnis von Mensch und Tier setzt das von LAS in Auftrag gegebene Projekt BOAR an. Díaz und Ledgard untersuchen, inwiefern künstliche Intelligenz (KI) eine Rolle dabei spielen kann, den Menschen wieder mit der Natur in Einklang zu bringen. Dabei war die mangelnde Untersuchung der Beziehung von KI und nicht-menschlichen Ökosystemen ausschlaggebend für sie. Sie wollten erforschen, wie zukünftige Formen maschineller Intelligenz versuchen könnten, biologische Lebensformen zu erkennen und zu imitieren.
Diesem Interesse folgend haben Díaz und Ledgard den von der Firma Boston Dynamics entwickelten Roboter „Spot“ so angepasst, dass er Wildschweine imitiert. Während die Tiere Larven und Insekten jagen, indem sie unterirdische Vibrationen aufspüren, ahmt das Roboter-Wildschwein dieses Verhalten innerhalb einer begrenzten Grünfläche nach. Mithilfe von KI lokalisiert es simulierte Datenquellen, die in seinem Revier auftauchen. Diese Quellen sind für Besucher:innen mittels einer Augmented-Reality-App (AR-App) als Datenwolken zu sehen. Die App ist auf verschiedenen Geräten abrufbar: auf dem Smartphone und auf Tablets, die die virtuelle Datenlandschaft des KI-Wildschweins sichtbar machen. Die Performance findet im Superterritorium statt, wie Díaz es nennt – in einem konzeptuellen Raum, in dem sich das Biologische und das Technologische miteinander verbinden. Indem Díaz und Ledgard Aspekte des natürlichen Lebensraums des Wildschweins – wie Gras und Erde – einbeziehen, bietet BOAR ein multisensorisches Erlebnis, das die Evolution der KI und zukünftige Beziehungen zwischen Lebewesen untersucht.
Díaz und Ledgard zeichnen ein positives Bild, in dem die KI Möglichkeiten für eine Koexistenz eröffnet. So kann sie uns zum Beispiel helfen, uns in der andernfalls überwältigenden Komplexität der Natur zurechtzufinden. Das Timing von BOAR ist entscheidend: Während die Klimakrise das Leben auf der Erde akut bedroht, entwickeln Maschinen erste Formen eines eigenen Bewusstseins und einer eigenen Handlungsmacht.
„Als junge Berliner Institution haben wir uns dem Träumen, Experimentieren und der Risikofreudigkeit verschrieben, um zwischen Kunst, Wissenschaft und neuen Technologien Brücken zu schlagen – für einen weitgefächerten Diskurs in der Gesellschaft. Insofern fügt sich BOAR und das Schaffen Díaz’, der als Archäologe potenzieller Zukunftsszenarien bezeichnet werden kann, hervorragend in unsere Vision ein, Disziplinen zu verbinden und Wege für Forschung, Vernetzung und Austausch zu öffnen.“
– Bettina Kames, Direktorin LAS
Díaz ist ein Vorreiter in der Verknüpfung von Robotik und Kunst. Seit den 1990er Jahren nutzt er neue Medien, um nicht-materielle Aspekte unserer natürlichen Umgebung sichtbar zu machen. Seine jüngsten Projekte beschäftigen sich mit dem Verhältnis von Natur, Menschen und KI-Maschinen.
Ledgard hat bereits futuristische KI- und Robotik-Projekte entwickelt und zahlreiche Vorträge gehalten; darunter an der ETH Zürich, dem Imperial College, MIT und dem Institute of Advanced Studies. Seine Romane handeln häufig von nicht-menschlichen Lebewesen und kontrastieren die Beständigkeit der Natur mit dem Wandel des menschlichen Lebens.
Samstag, 9. Juli 2022
15:30 Uhr / 17:00 Uhr / 18:30 Uhr
Dauer: jeweils 20 Minuten
Hinterhof des Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin
Freier Eintritt
Biografien
02Federico Díaz
J. M. Ledgard
Credits
FEDERICO DÍAZ BOAR, 2022
Performance in Zusammenarbeit
mit J. M. Ledgard konzipiert
In Auftrag gegeben von LAS (Light Art Space)
LAS
Technische Unterstützung