To Fracture Time Is to Create an Otherwise
Acht Künstler:innen und Autor:innen arbeiten gemeinsam an einer Reihe von webbasierten Kunstwerken, die Methoden des Storytellings in Science-Fiction mit Praktiken des World Buildings in der digitalen Kunst miteinander verbinden.
Die Künstler:innen und Autor:innen aus To Fracture Time Means To Create An Otherwise nutzen Science-Fiction als Methode, um medienübergreifend alternative Welten zu erschaffen. Alle zwei Monate von Juni bis November 2024 veröffentlicht LAS ein neues kollaboratives Projekt – insgesamt vier. Darin entwickeln jeweils ein:e Künstler:in und ein:e Autor:in Vorstellungen von technologisch diversen Zukünften, die Möglichkeiten zur Neugestaltung der Welt eröffnen.
Das erste Werk der Reihe ist eine Videoarbeit von Künstlerin Sonya Dyer und Autor:in Rivers Solomon. Unter dem Titel Portals folgt sie einer Unterwasser-Odyssee im Mittelmeer und erzählt Geschichten einer versuchten und erzwungenen Migration. Im Juli spekulieren Chen Qiufan und Yehwan Song über Glücksbringer in ostasiatischen Traditionen und wie sie von der Gen Z eingesetzt werden könnten, um die Klimakrise abzumildern. Das dritte Projekt von CROSSLUCID und Orion Facey wird im September in Form einer Choose-Your-Own-Adventure-Erzählung veröffentlicht, die Techno-Mystizismus mithilfe generativer KI erforscht. Im November präsentieren Herdimas Anggara und Luís Barragán ihre Auseinandersetzung mit einem außerirdischen Virus, das zwischen Maschinen und Menschen wandert und sie in eine Form von psychedelischer Ekstase führt.
Die Auftragsarbeiten aus To Fracture Time Means To Create An Otherwise sind im doppelten Sinne digital native: Sie entstehen unter Einsatz digitaler Werkzeuge und sind zugleich auf die Rezeptionsbedingungen im digitalen Raum ausgerichtet. Das Publikum ist dabei eingeladen, über die Macht jener Science-Fiction-Erzählungen zu reflektieren, die unterdrückerische Strukturen aufbrechen und Wege der kollektiven Befreiung aufzeigen möchten. To Fracture Time Means To Create An Otherwise untersucht die gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Bedingungen, unter denen Künstler:innen und Schriftsteller:innen Modelle technologisch diverse Zukünfte entwickeln, und beleuchtet die möglichen Konsequenzen einer Gegenwart, die sie zu ändern suchen.
Unter World Building versteht diese Reihe Arten und Weisen, wie Figuren ihre Umgebung, Kultur, Natur, Geschehnisse oder Sitten und Bräuche wahrnehmen. Jeder Akt des World Buildings geht mit einem spezifischen Weltbild einher. In den Auftragswerken wird diese literarische Methode zu einem subversiven Akt: Es werden Geschichten ersonnen, die neue Horizonte eröffnen und imstande sind, Wege der kollektiven Ermächtigung und Transformation zu erschließen.
Die vier Projekte bilden eine Vielzahl unterschiedlicher Traditionen, Sicht- und Lebensweisen ab. Dabei lassen sie hegemoniale Perspektiven auf die Zukunft hinter sich. Durch das Science-Fiction-Genre und seine Stilmittel werden neue Vorstellungen, Technologien und Geschichten entwickelt, die in indigenen, Schwarzen, speziesübergreifenden, queeren und antikapitalistischen Narrativen und Ästhetiken begründet sind. Sie positionieren sich außerhalb der westlichen Vorstellungswelten und bilden ein wirkmächtiges Gegengewicht. So beleben sie beispielsweise im Zuge der Kolonialisierung verdrängtes Wissen oder greifen auf den eigenen Erfahrungsschatz zurück, um unterdrückerische Strukturen in unserem globalisierten, hyperkapitalistischen Alltag zu unterlaufen. Die westliche Kunst hat sich jahrhundertelang auf griechische, römische und nordische Mythen gestützt. Entsprechend machen die Künstler:innen und Autor:innen nun von eigenen mythenbildenden Mitteln Gebrauch, um einen Kanon zu hinterfragen, der für sie keine Zukunft bereithält oder ihnen in den dominierenden Vorstellungswelten schlichtweg keinen Platz einräumt. Die von ihnen imaginierten Zukünfte sind technologisch divers: Sie gehen mit dem Bewusstsein einher, dass Technologien in unterschiedlichen Kosmologien, Wissenssystemen und kulturellen Praktiken verankert sind. Der Philosoph Yuk Hui, der den Begriff „techno-diverse“ geprägt hat, weist darauf hin, dass er auch eine Form der Befreiung mit sich bringt. Er ermöglicht es jeder Gemeinschaft und jeder Identität, eigene Technologie und damit auch den Diskurs über sie zu entwickeln. Eine auf diese Weise technologisch geprägte Zukunft ist demnach vielfältig.
Portals
Portals ist eine Videoarbeit von Künstlerin Sonya Dyer und Schriftsteller:in Rivers Solomon. Durch die Verschränkung von CGI, Archivmaterial und Erzählstimme erzählt Portals die Odyssee der Protagonistin Amal.
I am feeling Luckier: How to (dramatically) change your life with FUN
Die Künstlerin Yehwan Songand und der Sci-Fi-Autor Qiufan Chen haben eine interaktive Website konzipiert, die zu einem Ort der Verehrung wird.
Red the Ocean Around U
Begebt euch auf eine gemeinsame Reise und gestaltet ein sich kontinuierlich änderndes Universum, dessen generative Landschaften vom Künstlerkollektiv CROSSLUCID und dem Schriftsteller Orion Facey entwickelt worden sind.
Deciphering Extraterrestrial Language through DMT-Induced States of Consciousness
Für dieses Projekt haben Schriftsteller Luís Carlos Barragán und Künstler Herdimas Anggara eine Reihe webbasierter Interventionen konzipiert. Gemeinsam werden diese zu einer Geschichte, in der außerirdische Wesen sowohl Menschen als auch Online-Plattformen infizieren.